Deine ganz eigene Wahrheit
10 Dinge, an die Neo-Tantriker*innen glauben
Lesezeit: 5 Minuten
Gerade habe ich in Kapitel 4 und 5 von Hautrausch - Inside Tantra-Massage fertiggestellt, in denen ich beschreibe, wie das Neo-Tantra entstand und wie die Tantra-Massage geboren wurde.
Die Gespräche, die ich mit Zeitzeug*innen führte, erstaunten mich: Bislang war ich davon überzeugt gewesen, das esoterisch angehauchte Mindset der Tantra-Massage sei aus dem Neo-Tantra entstanden. In Wahrheit waren die Pionierinnen der Tantra-Massage nicht esoterisch, sondern gesellschaftspolitisch motiviert… Spannend!
In diesem Zusammenhang fragte ich mich: Was ist denn nun eigentlich Neo-Tantra? Und war überrascht, wie schwer es mir fiel, darauf zu antworten – obwohl ich schon so lange mit Menschen zu tun habe, die sich als „tantrisch" bezeichnen.
Neo-Tantra auf den Punkt zu bringen ist aber auch keine einfache Angelegenheit. Das hat mehrere Gründe:
Wir haben es nicht mit einer einheitlichen Religion oder spirituellen Schule zu tun. Tantra wird vielfältig interpretiert und ist ständig in Bewegung.
Tantra ist eine Praxis. Die „Lehren" des Neo-Tantra werden selten theoretisch gelehrt, sondern in Form von Techniken und Übungen vermittelt.
Die Konzepte und Überzeugungen zeitgenössischer Tantriker*innen bleiben meist so vage, dass man kaum versteht, was gemeint ist.
Neo-Tantra ist ein wilder Cocktail aus verschiedenen Weisheitslehren und Elementen der westlichen Psychologie – und nichts davon ist ausschließlich neo-tantrisch, sondern auch in anderen Kontexten zu finden.
Hier also ein gewagter Versuch einer Zusammenfassung neo-tantrischer Überzeugungen:
Sex und Spiritualität
Sexuelle Energie ist eine heilige Ur-Kraft, die für das spirituelle Wachstum nutzbar gemacht werden kann. Das Göttliche ist durch den Körper erfahrbar. So können sexuelle Blockaden beseitigt werden.
Dafür ist es notwendig, die sexuelle Energie nicht nur in den Genitalien zu erleben, sondern in den ganzen Körper zu bringen. Orgasmen sind nebensächlich oder sogar hinderlich: Was zählt, ist die Erfahrung von Ganzheit und Verbundenheit.
2. Der Körper ist heilig
Der Körper ist ein heiliges Gefäß, durch das sich spirituelle Erfahrungen machen lassen. Tantrische Praktiken ehren und erwecken das Potential des Körpers für spirituelle Transformation und die Erweiterung des Bewusstseins.
3. Energie
Es gibt im Körper subtile Energien (Prana, Chi), die durch spezielle Techniken erweckt und gelenkt werden können, um das spirituelle und psychische Wohlbefinden zu erhöhen. Auch kann dadurch die sexuelle Lust gesteigert werden. Durch Körperarbeit und Massage kann die Energie harmonisiert und in Fluss gebracht werden, können Energieblockaden gelöst werden.
4. Kundalini
Unsere Lebensenergie ruht in Form einer zusammengerollten Schlange an der Basis deiner Wirbelsäule. Mit Körperarbeit, Atem- und Energieübungen kann man sie aktivieren. Dann steigt sie im Körper auf und öffnet die Energiezentren (Chakras) entlang der Wirbelsäule, was Wachstum, Heilung und Transformation fördert.
5. Einheit / Nicht-Dualität
Alles, was existiert, ist miteinander verbunden. Zustände von Verschmelzung und Harmonie lindern Egozentrimus und Gefühle der Isolation.
6. Ganzheitlichkeit
Körper, Geist und Seele sind eine Einheit. Alle Aspekte des Seins sollten in Einklang gebracht werden. So werden die emotionalen, spirituellen und physischen Aspekte des Individuums geheilt (integriert).
7. Erfahrung
Die persönliche Erfahrung wird höher bewertet als Lehren oder Texte. Wir sollten unsere eigene Wahrheit finden und erkunden, durch unmittelbares Erleben. Es ist sehr wichtig, sein wahres Selbst zu finden und alles zu akzeptieren, was man fühlt, denkt, erlebt und braucht.
8. Bewusstheit / Achtsamkeit / Präsenz
Im-Hier-und-Jetzt-sein und ganz-bei-sich-sein ist das höchste Ziel. Sich seiner Empfindungen und Emotionen bewusst sein. Dies fördert eine tiefere Verbindung mit sich selbst und führt zu spirituellen Einsichten.
Die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments ohne zu urteilen beruhigt den Geist und führt zu innerer Ruhe und Klarheit.
9. Persönliche Entwicklung / Selbstwerdung
In uns allen schlummert ein unausgeschöpftes Entwicklungspotenzial. Das müssen wir entfalten, um glücklich und erfüllt zu sein. Durch tantrische Praktiken kann man seine persönlichen Begrenzungen überwinden, psychologische Wunden heilen und höhere Bewusstseinsstufen erreichen. Man kann Einheit mit dem Göttlichen erfahren oder ein tieferes Verstehen der eigenen, wahren Natur erlangen.
10. Authentizität
Wahrhaftigkeit, Unverfälschtheit, Eigenständigkeit und Ehrlichkeit haben höchste Priorität. Unsere wesensmäßige Einzigartigkeit muss unbedingt zum Ausdruck kommen. Diese innere Stimmigkeit entsteht durch unentwegte Selbstbetrachtung, das Ernstnehmen seiner selbst, Treue zu sich selbst und zur eigenen inneren Natur sowie Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber.
Nur wenn man die Ergebnisse der möglichst objektiven Innenschau mit Selbstmitgefühl und Liebenswürdigkeit betrachtet, sie als Teile seines Selbst annimmt und integriert, kann man mit sich selbst in Kontakt sein.
Authentizität ist ein Grundbedürfnis des Menschen, dessen Erfüllung zu Wohlbefinden, einem Gefühl von Lebendigkeit, persönlichen Wachstums und Sinnhaftigkeit des eigenen Schaffens führt.
Ich betone nochmals: Es ist ein Versuch. Was denkst du? Gibt es etwas, das fehlt oder anders dargestellt werden sollte? Schreib mir gern eine E-Mail!
Erst die zweite und dritte Generation von Tantra-Masseurinnen, von denen viele zu Oshos Anhängerschaft gehörten, verwoben die Tantra-Massage mit dem Neo-Tantra.
Das könnte dich auch interessieren: